Montag, 26. September 2011

Friedhof - Eine Phantasie -

Ich bin über einen Friedhof gegangen
und habe mir gedacht:
die Grabsteine müszten
alle einen kleinen Schrein haben
so eine Art Tabernakel
und darinnen
befindet sich ein Buch
vielleicht
das Lieblingsbuch des Verstorbenen
oder auch
ein ganz neu Erschienenes welches
er noch nicht kennt…

Ich würde
sie mir alle anschauen und vielleicht
bliebe ich auch sitzen irgendwo
um einem unbekannten Toten
etwas vorzulesen
aus seinem Buch…

Montag, 12. September 2011

Donnerstag, 8. September 2011

Ein modernes Stundenbuch

Schon immer haben mich alte Stundenbücher fasziniert. Buchkunst aus einer Zeit, da sich nur wenige ein Buch überhaupt leisten konnten.
Liebevoll, akribisch und in jahrelanger Arbeit entstanden.

Meine eigene Buchgestaltung sehe ich nicht in dieser Tradition.
Meine Krakelschrift und Fetzen von zufällig gefundenen Bildern aus Zeitschriften, Katalogen etc… die mir zum Wegwerfen zu schade sind. Eigene Fotos manchmal auch. Das sind eher flüchtige Skizzenbücher, welche so entstehen.
Aber warum sich auf diese Weise nicht einmal den überlieferten Gebeten und Psalmen nähern?
Stundengebet kann eine schöne Form der Meditation sein, auch heute noch.
Und so habe ich jetzt begonnen, ein persönliches Stundenbuch zu gestalten. Die Texte überliefert, die Fotos zerrissen… als Abbild der kaputten Welt, der flüchtigen Zeit. Farben und Bilder, die mich persönlich besonders ansprechen, mein eignes Stundenbuch.
Heute, da jede Bahnhofsbuchhandlung Engelmagazine und ähnliches bietet… sich besinnen auf alte Liturgien und ursprünglichere (Engel-)gebete. – Ein Thema, mit dem ich gerade erst beginne und das mich bestimmt längere Zeit beschäftigen wird.

Durch Abschreiben lassen sich Texte viel besser verinnerlichen als durch bloszes Lesen. Das ist der eigentliche Sinn meiner Bucharbeit überhaupt.


Montag, 5. September 2011

Lermontov - Der Engel -

Ангел

По небу полуночи ангел летел,
И тихую песню он пел,
И месяц, и звезды, и тучи толпой
Внимали той песне святой.
Он пел о блаженстве безгрешных духов
Под кущами райских садов,
О Боге великом он пел, и хвала
Его непритворна была.
Он душу младую в объятиях нес
Для мира печали и слез;
И звук его песни в душе молодой
Остался - без слов, но живой.
И долго на свете томилась она,
Желанием чудным полна,
И звуков небес заменить не могли
Ей скучные песни земли.

Den Mitternachtshimmel ein Engel durchzog,
Sang leise ein Lied, als er flog,
Der Mond und die Sterne, die Wolken gesamt,
Sie lauschten dem heiligen Liede gebannt.

Er sang von der Seligkeit sündloser Seelen
In den Gebüschen der Gärten von Eden,
Er sang von der göttlichen Größe, sein Lob
Keinesfalls trog.

Er trug eine Seele, die jung war, im Arm
In eine Welt voller Tränen und Harm;
Der Ton seines Lieds in der Seele noch lang
Lebendig auch ganz ohne Worte erklang.

Sie quälte im Weltlauf noch lange sich still
Von herrlicher Sehnsucht erfüllt,
Nie konnte verdrängen den himmlischen Klang
Der irdische, öde Gesang.

- Deutsch von Eric Boerner - 

1831 

Donnerstag, 1. September 2011

Drei Namen


Wie heißen die Katzen?

Wie heißen die Katzen? gehört zu den kniffligsten Fragen
Und nicht in die Rätselecke für jumperstrickende Damen.
Ich darf Ihnen, ganz im Vertrauen, sagen:
Eine jede Katze hat drei verschiedene Namen.
Zunächst den Namen für Hausgebrauch und Familie,
Wie Paul oder Moritz (in ungefähr diesem Rahmen),
Oder Max oder Peter oder auch Petersilie -
Kurz, lauter vernünft‘ge, alltägliche Namen.
Oder, hübscher noch, Murr oder Fangemaus
Oder auch, nach den Mustern aus klassischen Dramen:
Iphigenie, Orest oder Menelaus -
Also immer noch ziemlich vernünft‘ge, alltägliche Namen.
Doch nun zu dem nächsten Namen, dem zweiten:
Den muß man besonders und anders entwickeln.
Sonst könnten die Katzen nicht königlich schreiten,
Noch gar mit erhobenem Schwanz perpendikeln.
Zu solchen Namen zählt beispielsweise
Schnurroaster, Tatzitus, Katzastrophal,
Kralline, Nick Kater und Kratzeleise -
Und jeden der Namen gibt‘s nur einmal.
Doch schließlich hat jede noch einen dritten!
Ihn kennt nur die Katze und gibt ihn nicht preis.
Da nützt kein Scharfsinn, da hilft kein Bitten.
Sie bleibt die einzige, die ihn weiß.
Sooft sie versunken, versonnen und
Verträumt vor sich hin starrt, ihr Herren und Damen,
Hat‘s immer und immer den gleichen Grund:
Dann denkt sie und denkt sie an diesen Namen -
Den unaussprechlichen, unausgesprochenen,
Den ausgesprochenen unaussprechlichen,
Geheimnisvoll dritten Namen.

- T. S. Eliot –
deutsch von Erich Kästner