Samstag, 21. Juni 2025

Tagessätze. Zehr-Rationen

 

Montag
 
Achtundzwanzig Paar Schuhe aussortiert.
All die hübschen Pumps und Ballerinas in den besonderen Farben.
Die ich ganz selten mal - zu einem bestimmten Kleid - getragen hab.
Ich hatte sie wohl 20 Jahre - einige viel länger schon -
und meine Füsze sind derweilen  leicht gewachsen .
Fair ist das nicht! Nun musz ich sie alle weggeben.
An den Füszen nimmt man ja auch nicht wieder ab,
also ein Kleidungsstück könnte wieder passen wenn ich diszipliniert bin.
Bei Schuhen keine Chance. Nein, das ist nicht fair! 
 
 
 
Dienstag 

Sommermorgen.
Eintauchen ins kühle Wasser.
"Wie Seide" meint die Frau, die ich vom Schwimmbad kenne.
Wie recht sie hat!
Dankbarkeit, wenn ich das haben kann.

 
 
Mittwoch
 
Kulturkirche. Übel zugerichtet: das wundervolle Flair der Barockkirche
durch grauenhaft-spieszige Polstersessel zunichte gemacht.
Denkmalgeschützte Teile erhalten, aber durch Einbauten gründlich verhunzt.
Nie wieder will ich das sehen müssen! 
 
Heute schaue ich mir das öffentliche Training einer Ballettschule an.
Hat mich neugierig gemacht.
Die Mädchen - private Einzelschülerinnen - geben sich sehr viel Mühe.
Bei einer Lehrerin, die dabei so gut wie nichts korrigiert.
Es ist auch nichts falsch daran, was sie gelernt haben.
Doch ziemlich vieles fehlt. 
Zwei Takte bewegt sie sich, secht Takte steht sie still. Wie im Turnunterricht.
Ich vermisse die flieszende Bewegung, das Aufgefangen-Werden 
und Sich-Hineingeben in die Musik. Das macht ja gerade den Zauber.
Eine Übung geht über in die Nächste, so läuft das gewöhnlich beim Exercise. 
Kurze Pausen nach längeren Bögen.
Hier wirkt alles stückig und abgehackt. 
Dann graziles Trippeln quer über die Bühne. Digitale Orchestermusik. 
Sprünge werden nie ausgeführt, höchstens mal angedeutet,
wie ein Ballettmeister das während der Probe so macht. Wenn er erklärt.
Dabei haben Kinder eine natürliche Spungkraft und auch Spasz an Sprüngen.
Warum wird das nicht genutzt? Mir unverständlich.
Dasz Ballett auch Schweben und Fliegen ist...kommt hier nicht zum Ausdruck.
Wird offenbar kaum vermittelt.
Tüllröckchen und glänzende Schuhe sind wohl das Wichtigste dabei. 
 
 
 
Donnerstag 
 
Fronleichnam. Sakraler Garten.
Setzt an zum ganz groszen Geläut.
Ein Heer vonGlockenblumen in Blau, Lila, Weisz.
Mönchsgrasmücke singt dazu die Litanei. 
 
 
 
Samstag
 
Morgen am Teich. Abstecher einer Einkaufsfahrt.
Noch tief stehende Sonne vergoldet das Schilf.
Alles ist zugewachsen, Wasser ist kaum noch zu sehn.
Wo sind all die Frösche geblieben?
Seblst die Weiden am Weg dürsten.
Wo steckt die Weidenhexe, die hier mal
Regenzauber wirkt?
 
 
*
 
 
Ein Tagessatz ist das, was ein Bürger ohne festen Wohnsitz ( Amtsbezeichnung), also ein Unbehauster, ein Trebegänger, 
ein Berber, wie sich viele selbst bezeichnen... vom Sozialamt bekommt. Wenn er sich dort meldet.  
Nicht alle tun das. Gültige Papiere sind Vorraussetzung.
Wer sich meldet, bekommt die Zehr-Ration für einen Tag. Das Geld zum Verzehren, zum Überleben. 

Ein Tagessatz kann aber auch Wörter haben.
Zum Zehren.  Zum Überleben. Oder einfach zum Sagen. 

*

Ich schaffe es nicht immer, etwas vom Tag aufzuschreiben.
Daran musz ich mich erst gewöhnen - ich hab so etwas noch nie gemacht...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Ich freue mich sehr über Dein Interesse und Deinen Kommentar.

Mit dem Abschicken deines Kommentars akzeptierst du, dass der von dir geschriebene Kommentar und die personenbezogenen Daten, die damit verbunden sind (z.B. Username, E-Mailadresse, verknüpftes Profil auf Google/ Wordpress) an Google-Server übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhältst du in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.