Blogparade

 

Dazu gehören. Ein Fremdwort. 

 

"Warum es mir so schwerfällt, dazuzugehören"
ist das Thema der Blogparade von Iris Wangermann.
 
 

 
Ich habe lange gezögert, diesen Post zu schreiben.
So viel Persönliches preiszugeben und damit wieder gefahr laufen,
 angegriffen zu werden. Und sei es auch nur für mein Gejammer.
 
*
 
In einem anderen Post las ich von einem inneren Chamäleon-Anteil.
Doch was, wenn man solch Chamäleon einfach nicht hat?
Dann wird Leben und Überleben sehr sehr schwierig.
 

Im Vorschulalter ging es noch relativ gut.
Ich galt als komisches Kind, wurde aber gelitten.
Spielte mit, wo ich mitspielen konnte.
Ansonsten verkrümelte ich mich.
Ich spielte gern allein.
Und dort drauszen, damals in den Höfen und Gärten, 
bestand ja auch noch kein Zwang des ständigen Zusammenseins.

Der kam erst mit der Schule.
Es fing leise an, gab öfter Hänseleien (die ich nicht verstand) und wurde, 
je höher die Klassenstufe, immer brutaler. 
Hatte in der 5.Klasse seinen vollen Umfang erreicht,
der sich bis Ende der Schulzeit so fortsetzte.
 
Ich war anders, ich war blöd, ich gehörte bekämpft.
Wurde geschlagen, gejagt, zu Boden gerissen und alle traten zu.
Feuerten sich schreiend gegenseitig an.
Meine Haare wurden mit einem Feuerzeug angesteckt.
Dann wurde ich in den Bach geworfen zum Löschen.
 
Schule war ein Höllenort, aus dem es kein Entrinnen gab.
Ich versuchte es mit Schwänzen, aber das ging auch nicht immer.
Ich wurde krank. Sehr oft. Sehr schlimm.
Dadurch hatte ich Atempausen.
 
Lehrer unterstützten oder schürten es teilweise noch.
Lehrer, die sich kaum Respekt verschaffen konnten... haben damit
von sich selbst abgelenkt. Konnten ihre Stunde durchziehn, 
während ich "dran" war und alle schon auf die Pause warteten.
Andere meinten: es geschähe mir ganz recht, weil ich mich
nicht ins Klassenkollektiv einfügen wolle - manche Kinder 
müssen das eben schmerzhaft lernen.
Ich lernte es nicht.
 
Restlos traumatisiert und genauso erleichtert verliesz ich die Schule.
Dabei hätte ich gern viel mehr - und noch länger -  gelernt.
Aber nicht dort.

*

Um dazuzugehören, zu einer Gruppe, musz man einer Meinung sein.
Das habe ich durch Beobachten viel später begriffen.
Das ist selbst in Bloggerland so.
Aber das alleine macht es noch nicht.
Da sind so viele subtile Dinge, die ich nicht wahrnehme,
nicht erfassen kann. Bis heute nicht.
Erst mit 48 bekam ich die Diagnose Asperger Autismus
und einen Schwerbehindertenausweis.
Das erklärt mir selbst vieles, ändert an der Situation aber nichts.
Erst im Zuge dieser Diagnostik habe ich erfahren, dasz es
so etwas wie nonverbale Kommunikation überhaupt gibt.
Verstehen und wahrnehmen kann ich sie kaum.

Mein Leben bis dahin verlief ähnlich wie in der Schule.
Die offene Gewalt wurde subtiler unter Erwachsenen.
In Frauenbrigaden war es besonders schlimm.
Ergo suchte ich mir Arbeitsstellen, wo Männer in der Überzahl waren.
Ich war sowieso ungelernt und wenigstens bekam man in der DDR
fast überall Arbeit. Oft ging ich putzen, etliche Jahre war ich Postfrau -
 dabei arbeitet man so schön allein!

Meine versuchte Selbstständigkeit ging mit der Währungsunion unter.
Da wurde es richtig hart und ich hatte alle Mühe, mich durchzuschlagen.
 
Dazugehört, irgendwo, habe ich niemals.
Doch, einmal, aber das war auszerhalb des bürgerlichen Lebens. 
Bei den Berbern, den Obdachlosen, den "Pennern" durfte ich endlich sein,
wie ich bin. Wurde akzeptiert, genosz sogar einiges Ansehn.
Obwohl ich eigentlich noch nicht wirklich dazu gehörte.
Bei aller Gewalt, aller rauen Sitten auf der Strasze, erlebte ich eine Art 
Herzlichkeit, die ich bis dahin von anderen Menschen kaum erfahren hatte.
Und die Kommunikaktion, an der ich sonst immer gescheitert bin...war ehrlich 
und direkt - da gab es keineFloskeln, keine Höflichkeitslügen.
Das war dort endlich sogar für mich verständlich.

Nun, ich habe, durch ein kleines Wunder, die Kurve noch gekriegt
zu einem eigenen Dach überm Kopf. Dem Rückzugsort, den ich unbedingt 
brauche. Den die Strasze eben nicht mehr hat.

*

Ich habe viele Versuche gemacht. Mich angepaszt, wie ich nur irgend konnte.
Doch das reichte alles nicht - ich war und blieb "zu anders".
Lebe ohne jeglichen sozialen Background, ohne ein Minimum Sozialstruktur.
 
Vielleicht früher bei der Tafel - das war ein Ort für manch gescheiterte Existenz.
Da trafen sich alle zwei Wochen Menschen mit etwas Mitgefühl.
Und mach einer ging vor allem deshalb dorthin.

Inzwischen hat sich der Personenkreis bei der Tafel vollständig gewandelt.
Da gibt es kein Zugehören mehr, da kämpft nun auch jeder für sich allein
bzw. für die eigene Gruppe, da gibt es kein Mitgefühl, keine Solidarität.
Die fremde Sprache dient als Mittel der Abgrenzung.
Ich verstehe sie sogar, aber Kontakte sind trotzdem nicht gewollt.
Viele der Besucher von früher gehen gar nicht mehr hin.
Die Welt ist nun mal kein freundlicher Ort. 
Immer weniger.

*

Interessengruppen zu finden ist in einer Kleinstadt auch nicht so einfach.
Oder die anderen sind viel besser situiert.
Beim Yoga, Chi Gong oder so - das sind halt andere Kreise.
Vom asketischen indischen Yogi meilenweit entfernt.
 
Armut allein ist auch schon ein Ausgrenzungsgrund.
Selbst wenn andere gutwillig sind, kann man nicht mithalten.
Sich nicht spontan mal ins nette Kaffe setzen
 oder verabreden zum Konzertbesuch. 


Es gibt noch das Internet. Da finden sich Leute mit gleichem Interesse.
Manchmal schon. Nur soziale Netzwerke sind eine Illusion.
Und viel zu oberflächlich. Cybermobbing ist auch ein beliebter Sport.
In der Anonymität des Web kann man die Sau richtig rauslassen.
Und selbst wenn ich als Bloggerin gute virtuelle Freunde habe: 
das hilft mir alles nicht weiter vor Ort.

Wer anders ist, unfreiwillig unangepaszt und ohne sozialen Background,
lebt auch heute noch fast vogelfrei.
Gelegentlich anonyme Briefe, von Vergewaltigungsphantasie
bis Morddrohung. Unliebsame Begegnungen, Leute von damals noch.
Sie sind nun allesamt über 60, haben teils aber noch immer Freude daran.
Selbst beim Foodsharing reiszen mir gutsituierte ältere Spieszer
die Lebensmittel aus der Hand. Selbst dort. 
 
 
*
 
Zugehörig fühle ich mich nur in der Natur.
Doch diese ist inzwischen kaum noch zu erreichen.
Meine Kraftorte von einst sind abgeholzt, zugebaut, zerstört.
Oder zu weit weg inzwischen.
Mit Sehschwäche und Gehbehinderung wird auch das zunehmend schwierig. 
 
Ich mache das beste daraus. Mache vieles allein.
Damit hab ich nie ein Problem gehabt.
Lasse mir Selbstfürsorge angedeihen, so gut es eben geht.
Ich war übrigens immer ein lebensfrohes Wesen und bin es noch heute.
Mit einem beträchtlichen nicht-materiellen Reichtum.

 

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