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Fahrrad, Auto, Bus heiszt Eriks aktuelle Blogparade - also,
wie sind wir normalerweise unterwegs?
*
Bis zu meinem 30. Lebensjahr war ich viel mit Bus und Bahn unterwegs.
Die DDR hatte ein sehr gut ausgebautes Verkehrsnetz, man kam praktisch
überall hin und es war auch noch preiswert.
Ein Auto brauchte man nicht und selbst diejenigen, die eines hatten, fuhren
meist mit dem Bus zur Arbeit. Erinnere mich da an viele Kollegen.
Groszbetriebe setzten extra Schichtbusse ein und an den Wochenenden
gab es Linienbusse zu beliebten Ausflugszielen: früh/mittags hin
und abends zurück. So lieszen sich schöne Ausflüge machen.
Die Bahn brauchte für Langstrecken deutlich länger als heute,
hatte doch fast jede Ortschaft ihre Bahnstation. Aber so waren Fahrten
zur Arbeit oder in den Urlaub ohne Auto möglich - man muszte nicht
erst zusehn, wie man in eine gröszere Stadt mit Bahnanschlusz kam.
Mit der Wiedervereinigung wurden wir dann buchstäblich abgehängt
(statt mal zu gucken, was in der DDR gut funktionierte und nachhaltig war).
Bahnhöfe wurden geschlossen, Strecken stillgelegt.
Wo früher in Spitzenzeiten viertelstündlich ein Bus fuhr, gab es plötzlich
nur noch einen aller 4(!) Stunden und an Wochenenden teils gar keinen.
Wer kein Auto hatte, war angeschmiert oder muszte sich eins kaufen.
Bei mir hats dafür nie gereicht, ja nicht einmal für einen Führerschein.
Ergo bin ich seit 1990 fast nur noch per Fahrrad unterwegs.
ÖV ist viel zu teuer, auch wenn sich das mit den Fahrtzeiten
inzwischen wieder etwas gebessert hat.
Früher bin ich oft und gern in die Natur gefahren, oder über Land,
zum Arbeiten, zum Arzt, um irgendwo drauszen Äpfel zu ernten...
eine Veranstaltung zu besuchen etc.
Sehr weit bin ich zwar nie gekommen, denn in einer bergigen Gegend
musz man ohne Gangschaltung zwischendrin öfter schieben.
Ich bin aber gerne geradelt, das ganze Jahr über, auch wenn es bei Eisregen
und Sturm im Gesicht nicht besonders gemütlich ist. Aber was solls?
Muszte meine Wege ja realisieren.
Inzwischen geht es nur noch auf kurzen, sehr vertrauten Strecken, denn
die Augenärztin hat mir das Radeln längst ganz und gar verboten.
Aber wie soll ich mich versorgen oder Rad?
Laufen kann ich nicht mehr, das Rad ist meine Gehhilfe.
Im Winter schiebend, kann ich mich immerhin noch daran festhalten.
Geht besser als mit Krücke.
Ich orientiere mich im Verkehr stark nach Gehör und die Wege sind
meist so vertraut, dasz ich weisz, wo Bordsteinkanten abgesenkt sind.
Sehen kann ich das nicht mehr und damit ist radeln im Wald bzw. auf
unvertrauten Strecken nun sehr riskant und kaum noch möglich.
Die Natur fehlt mir jetzt am allermeisten!
Alternativen sehe ich für mich keine.
Busse sind zu teuer und oft zu unzuverlässig
und den Bahnhof zu erreichen ist auch schon schwierig genug.
Nur wenn es gar nicht anders geht, musz ich mal nach Braunschweig zum Arzt
fahren - das ist dann eine sauteure anstrengende Tagesfahrt jedes mal.
Und es ist auch nicht sehr erquicklich, z.B.nach ambulanten Eingriffen
mit der Bahn noch umsteigen zu müssen - in Vienenburg die vielen vielen Stufen
der Brücke rauf und runter - und diesen ganzen Heimweg überhaupt.
Einmal - zu einer komplizierten Zahn-OP - habe ich mich gegen Bezahlung
fahren lassen. Da war das Ganze dann die reinste Kaffeefahrt und ich
schon am späten Vormittag ganz easy wieder daheim.
So wunderbar und hilfreich kann also ein Auto sein!
Aber das Geld ist eben nicht drin öfter jemand zu bezahlen.
Wenn die Katze zum TA musz, rufe ich ein Taxi. Das erledigt die Fahrt in
wenigen Minuten. Kostet 40 Euro (entspricht dem Haushaltsgeld für 2 Wochen),
dafür hat nun mein Schatz eine "Katzenkrankenkasse" angelegt.
Ich kann diesem extrem ängstlichen kranken Tier zweimal eine halbe Std.
Juckelei im Stadtbus, umgeben von fremden Menschen, einfach nicht antun.
Schon ich empfinde Busse als unerträglich laut - wie musz das erst
für Katzenohren sein? In der Kiste zu sitzen ist Trauma genug.
Den Stadtbus nutze ich so gut wie nie.
Alltags fährt er aller halbe Stunde, am WE aller Stunde und auch manchmal
planmäszig zwei Stunden gar keiner. Auszerplanmäszige Ausfälle nicht mitgerechnet.
Dafür, dasz er selten fährt, fährt er umso länger, denn er grast die gesamte
Prärie ab. Mit dem Fahrrad brauche ich ein Viertel der Zeit und sollte
ich im Baumarkt ein Brett gekauft haben, läszt mich der Bus
damit sowieso nur an der Haltestelle stehn.
Nein, das ist keine echte Option!
Ich brauche kein Auto, um jeden Tag damit herumzufahren.
Aber ein- bis zweimal pro Monat eines zur Verfügung zu haben, wäre schon
ungeheuer hilfreich. Um Alltag zu organisieren, Dinge zu transportieren, zum Arzt
zu kommen oder mal einen Ausflug zu machen, etwas Kultur.
Einen Flohmarkt besuchen, einen Badesee erreichen, bei einer Demo mitgehn...
Hinter alledem steht hier immer nur das unerbittliche NIE.
Wer immer ein Auto hatte oder mindestens jemanden, der ihn gelegentlich
mitnimmt, macht sich keinen Begriff, wie kompliziert und anstrengend
ein ganz und gar autoloses Leben sein kann.
Wenn z.B. ein ganzer Umzug mit Fahrrad realisiert werden musz.
Die Zentralisierung von Kliniken und medizinischen Einrichtungen
an einem einzigen Standort im Landkreis - weit drauszen in der Pampa -
hat für ältere autolose Menschen etwas Beängstigendes.
Da kann man sich nur noch selber helfen. Oder eben nicht.
Darüber denkt aber niemand nach.
Ich habe es schon erlebt, dasz ich mit akuter Uveitis (Entzündung im
inneren Auge) halbblind am Samstag in die örtl. Notaufnahme getappt bin und
die Auskunft bekam, Bereitschaft sei in N.. Dahin fährt niemals ein ÖV.
Auf meine Frage, wie ich das denn erreichen soll, kam die pampige Antwort:
"Tjaaa, das müssense schon selber sehn, wiese da hinkommen!"
Ich kam nicht hin - Spätfolge lebenslänglich.
Mit Kreuzbandrisz (Fahrradunfall) wars ähnlich - wie sollte ich mich damit
bis zum Busbahnhof schleppen um die 30km entfernte, für Unfälle zuständige
Notaufnahme zu erreichen? Danke, Zentralisierung!
Es kommt sicher immer mit darauf an, wo man wohnt, aber mein Fazit ist:
ein Auto bedeutet Selbstbestimung und Unabhängigkeit,
Autolosigkeit ist 100% Behinderung.
Da kann Mobilitätsexpertin Katja Diehl noch lange herumsülzen,
bis in unserer Region/Realität etwas davon ankommt.
Die Botschaft hört ich wohl, allein mir fehlt der Glaube -
Und vor allen müszte sich erst einmal jeder den ÖV auch leisten können.
*
PS: ich hatte immer einen Traum: einmal im Leben mit einem Auto in die
Ferien zu fahren, irgendwo abzubiegen und einfach anzuhalten, wo es einem gefällt.
Dort so lange zu bleiben, wie man mag, Schönes entdecken... und dann
irgendwann einmal weiter. Ohne Zeitdruck, ohne Ziel.
Ein schneller ICE kann mir das niemals bieten und überhaupt kein ÖV.
Bei der Wiedervereinigung haben wir echt in so einigen Punkten eine Gelegenheit verpasst, wie du sagdt, um zu schauen, was an der DDR gut und sinnvoll war. Da hätten wir mehr übernehmen können als den grünen Abbiegepfeil.
AntwortenLöschenEs ist auch echt so eine Gewohnheitssache. Jetzt, nachdem die Bevölkerung jahrzehntelang damit gelebt hat, dass der Nahverkehr schlecht vernetzt und unzuverlässig ist und dass es eben so ist, dass der Durchschnittshaushalt mehr als ein Auto hat, ist es für viele schwer, sich vorzustellen, dass es auch wieder anders werden kann.
Und die fehlende Barrierefreiheit bei Bus und Bahn kommt noch obendrauf :(
Liebe Grüße
Angela
Eine interessante Blockparade. Ich habe aber nur deinen Text gelesen. LG Myriade
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