Wenn der Wind weht
Dort unter dem öden Himmel
fallen meine einst begeisterten Träume
toten Vögeln gleich
einer nach dem anderen
zur Erde nieder.
Das Wehen des Windes, hat man das gesehen?
Ob es nicht so ist? Lebt auf dieser Welt ein Riesentier, dessen Puls alle 100 Jahre einmal schlägt, das alle 1000 Jahre einmal atmet, das alle 100 000 Jahre einmal Mahlzeit hält, und ist dieser Wind, der jetzt weht, nicht vielleicht ein Takt des Liedes, das dieses Tier singt, ein Lied, dessen Ende erst in 1 000 000 Jahren ertönt, ist er nicht aus einem solchen Lied nur eine Note (von der unsereiner gar nicht wissen kann, welcher Teil des Ganzen sie ist)? Wir werden es wohl nicht wissen können. Auch wenn ein solches Riesentier lebte, wenn solch ein großes Tier mit einem derart mächtigen Atem ein so großartiges Lied sänge, wir würden es wohl nicht wissen können. Selbst im Traum nicht wissend, dass dies das Lied des Tieres ist, finden wir es zuweilen lästig und zuweilen begeisternd und ab und zu erfreuend und manchmal auch zum Verzweifeln, und so leben wir denn bis zu unserem Tode.
Es gab einen Dichter, der, wenn der Wind wehte, sagte: „Ich habe Lust zu leben.“ Ich möchte Fragen stellen, wenn der Wind weht. Ob in jenem Wind nicht auch ein Tier heranwächst?
Im Mai 1995
Choi In-Suk
aus „Der Brunnen meiner Seele“ Erzählungen
aus dem Koreanischen von Kim Sun-Hi und Edeltrud Kim
Middelhauve 2000
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