Ich will auf die andere Seite der Einsamkeit gelangen dorthin wo kein Regen fällt und keiner kommt um gleich wieder seiner Wege zu gehen
Dort sitzen die Toten alle in prächtiger Eintracht fröhlich wie an einer wohlbestellten Tafel
Die andere Seite der Einsamkeit ist eine durchaus reale in sie denk ich mich hinein wenn ich nicht da bin und auf einmal finde ich die verlorene Münze der Kindheit wieder
Auf der anderen Seite der Einsamkeit schläfst du hingegeben den Ellenbogen unter dem Kopf und ich würde gern wissen wer dort Gedichte schreibt dass er sie mir manchmal leichthin zusteckt
Ist es dort finster auf der anderen Seite der Einsamkeit oder strahlt ein unschuldiger Glanz ein ewiges Licht von Mamas Kleid
Immer öfter verschwinde ich auf der anderen Seite der Einsamkeit und wie es scheint bin ich völlig glücklich
aus „Eine Handschrift gefunden im Schlaf“ aus dem Polnischen übertragen von Karin Wolff Evangelische Verlagsanstalt Berlin 1985
Sie wollte sich um die nichtssagendste Person der Stadt kümmern, weil diese auch die bedeutendste Person der ganzen Stadt war, eine Frau, die aus keinem anderen Grund lebte als dem, bei ihrer Geburt ein Leben zu leben bekommen zu haben, und nichts anderes; und seitdem erhält sie es und sagt sich oft im Geheimen: „Welches Glück für mich, daß ich, die so wenig Bedeutung hat, die Besitzerin eines Lebens bin.“ Und da sagte sich Clarice: Das hier ist die einzige Frau, die mich lehren könnte, was ich von meinem hohen Alter aus, meinem Gedächtnis, meinem Schatz an Bildern, und meinen Schränken und meinem Schmuck und meinen vier Bleistiften und meiner Schreibmaschine aus unfähig bin, zu wissen, das hier ist die, die mich in die Ursprungsgrotte führen könnte. Und diese Frau, Clarice, hat sich als unbewußter Engel dazu entschieden, sie zu der Hölle zu führen, die sie so ersehnte, eine arme Mücke mit dem Namen Macabea, etwas verlaust, mit wenig Haaren aus Vitaminmangel, Jucken im Geschlecht – nur wegen Herpes, nicht einmal vom Geschlechtsverkehr, - aber sie hat sie sich geholt, wie man sich anderes holt, was man nicht verdient hat in so manchem Leben. Sie also hat eine Frau wegen der Liebe gewählt: weil sie die ärmste und reinste Liebesgeschichte erzählen wollte. Eine so reine Geschichte, daß es darin absolut nichts anderes zu sagen gibt als die ungeschliffene Liebe, die kleinen Goldpailletten am Grund der düsteren Abflußrinne; und am Grund der bedürftigsten Höhlen sind es natürlich die Frauen, die das wunderbare Feuer hüten.
Helene Cixous aus „Das Buch von Promethea“
PS: Eigentlich wollte ich die Texte der Leporellos hier nicht mit aufschreiben… aber irgendwie erscheint es mir dann doch wieder richtig, wenn sie auch lesbar sind. – Vielleicht auch ein Anstosz, das Buch zu lesen (?)