So, das wird jetzt kein schöner Beitrag, das wird echt besch***n.
Eben Alltag, wie er ist. Für mich. Für uns.
Und ich kann mir gut vorstellen, dasz es anderen
Menschen auch nicht viel besser geht.
Maria Almana hat mich irgendwie angesprochen,
auch wenn mein Beitrag ihr Anliegen völlig verfehlt:
Tröstlich, dasz neurotypische Menschen auch ihre Routinen haben
und darunter leiden, wenn diese gestört werden.
Für Autisten bricht mit gestörten Routinen die Welt zusammen
und Rettung gibts keine.
Sie umgewöhnen, neue Wege finden, neue Routinen etablieren - das braucht
Jahre(!) und geht ganz und gar an die Substanz.
Zumal Corona ein temporärer Zustand ist, der irgendwann wieder aufhören wird -
es sich also eigentlich kaum lohnt, daran ernsthaft zu arbeiten.
Wie man es z.B. nach Umzügen, Trennungen und anderen endgültigen Brüchen tut.
Ich befinde mich jetzt eher in einer Warteschleife.
In einem Spannungsfeld, das auszuhalten immer kräftezehrender wird,
je länger es dauert.
Nicht, dasz ich nicht versuche, mir Gutes zu tun, wie es nur irgend geht und mich auch z.B. über die himmlische Ruhe auf den Straszen freute, wie das in den ersten Wochen so war.
Endlich wurde der öffentliche Raum für mich einmal ungehindert nutzbar, betretbar.
Aber mein - aushaltbares - alltägliches Leben existiert trotzdem nicht mehr .
Das Temporäre, die diffuse Bedrohung,
das Jederzeit-wieder-verschärft-werden-Können,
die Frage nach dem DANACH.
Friedlicher wird die Welt nach Corona nicht sein.
Das schöne Bleibt-Zuhause-Motto hätte mir sogar gefallen,
war aber von Anfang an nicht wirklich drin.
Ich muszte ja doch täglich hinaus.
Mich um Dinge kümmern, Wege erledigen, nicht nur für mich... Nahrung beschaffen
(Vorratskauf war mir weder logistisch noch wirtschaftlich möglich).
Da wurde vieles wesentlich anstrengender.
Foodsharing-Abholungen vom Supermarkt (so 30-50kg Gemüse, für die gesamte Gruppe)
nicht mehr mit anderen zusammen mit Auto machen können,
sondern nur noch mit Fahrrad...(inzw. bin ich da raus)
Am Anfang ging bei jedem Haus-Verlassen die Angst mit:
die öffentlich-rechtlichen Schreckensnachrichten erreichten mich durchaus.
Inzwischen sehe ich das wesentlich differenzierter,
nach längerer Beobachtung der Lage und (Test-)Praxis vor Ort
ist Angst vor Infektion nicht mehr das Thema für mich.
Was real bleibt, sind Beschränkungen und Auflagen,
die einzuhalten mir kaum möglich sind.
Der Abstand ist nicht das Problem, den finde ich ganz gut.
Aber schon der Einkaufswagenzwang überfordert mich restlos (ich nahm sonst immer meinen individuellen Tragekorb und mag die Dinger nicht anfassen, ecke damit ständig irgendwo an), die Masken dazu... Verbarrikadierte Kassen, abgesperrte Wege und überall die für mich unsichtbaren
(da rahmenlosen) Barrieren, wo ich immer wieder dagegen rammele...
Angeblich wird überall Desinfektionsmittel bereit gestellt und sogar Einweghandschuhe,
aber ich kann rein optisch so vieles gar nicht mehr orten, finde diese also nie -
Einkauf war ja schon früher eine ganz schlimme Streszsituation,
nicht zuletzt wegen der Sehschwäche - die Hälfte meiner Einkaufsliste
hab ich am Ende doch nie im Korb, da nicht gefunden...
Tja, und nachdem ich dann neulich wieder ganz viel Mühe hatte mit diesem Finden... da sagt doch die Kassiererin zu mir, dasz die Banken jetzt Gebühren für Kartenzahlung erheben.
Ergo liesz ich meinen mühsam gesuchten Einkauf dort zurück -
sowas verunsichert mich dann noch mehr!
Inzwischen gehe ich für mich selbst nun gar nicht mehr einkaufen.
Ich versuche, Nahrung auf anderen Wegen zu beschaffen, Foodsharing etc.
Was natürlich auch wieder bedeutet, fast täglich unterwegs zu sein, um irgendwas Zufälliges, Unvorhersehbares aufzutreiben. Was nicht jedes Mal auch gelingt.
Es friszt Zeit, ist aber doch etwas weniger stressig.
Und kreatives Kochen mit Zufallsdingen ist ja schon lange meine Spezialtät.
Mein Schatz zerbrach seine Brille, da Brille plus Maske
plus Einkaufswagen einfach zuviel sind - zwei Wochen Wartezeit
überhaupt erstmal für den Sehtest,
und bis die Brille fertig ist dann natürlich noch einmal.
Ich bräuchte dringend Physiotherapie, habe schlimme Schmerzen - aber wenn ich beim HA
erst anrufen musz um überhaupt an der Tür klingeln zu dürfen -
nein, diese zusätzliche Hürde schaffe ich nicht!
Zum HNO fahren mit Bahn und Straszenbahn geht jetzt auch nicht.
Stundenlang kann ich die Maske einfach nicht tragen.
Und so weiter. Kleinkram, der zur Katastrophe wird und zur Zerreiszprobe,
je länger es geht.
Eigentlich geht es um Sehnsuchtsorte.
Nun ja, meine Sehnsuchtsorte - ein Waldsee zum Baden, ein Theater,
ein Konzertsaal, ein Flohmarkt, das Meer, ein bestimmter Garten in Menton,
Samara an der Wolga, die Bretagne...irgendeine Fabrikruine,
ein alter Friedhof, lost places... irgendwo. Nirgendwo.
Denn Sehnsuchtsorte sind nicht erreichbar! Auch ohne Corona nicht.
Und so dachte ich anfangs, Corona könne mir doch gar nichts anhaben.
- Was für eine Illusion!
Inzwischen weisz ich/wissen wir beide es besser.
Reale Sensuchtsorte sind eigentlich ganz nahe.
Die Plätze, die uns Ruhe und Regeneration geben:
die Terrasse unterhalb des Schlosses, mit plätscherndem Springbrunnen.
Stundenlang in der Sonne sitzen und lesen - das geht da
sogar an manchen Novembertagen noch.
Kraftort Klostergarten, 15km entfernt und mit Bus zu erreichen.
(was für fast alle übrigen schönen Orte nicht gilt).
Auch da läszt sich träumen, Lavendel riechen und mehr.
Barfusz laufen.
Und das örtliche Freibad, ganz in der Nähe und meist hoffnungslos überfüllt.
Aber ich/wir schafften es bisher doch immer, da mal ruhigere Tage zu erwischen
und einen Ersatz für nie stattfindende Sommerurlaube zu haben
und Sommerfeeling zu genieszen.
Für mich ist das tägliche ausdauernde Schwimmen auszerdem eine nötige
und wirksame Aquatherapie gegen die Schmerzen:
am Ende der Badesaison war ich dann immer fast schmerzfrei
und richtig gut drauf.
Eben in der Lage, die Winterzeit anzugehen und halbwegs zu überstehen.
(derzeit graust es mir vorm nächsten Winter)
(so sieht es dort ganz selten aus, aber volle Bäder darf man nicht fotografieren)
Auch diese Orte sind/waren bisher zugesperrt.
Zwar dürfen Bäder ab 2.6. öffnen, aber dürfen ist nicht gleich müssen und Vorbereitungen dazu gibt es in unserer Stadt bisher noch nicht. Die dauern immer mindestens 4 Wochen...
Ich/wir haben also endlich begriffen, WAS diese wenigen
und ganz nahen Orte eigentlich bedeuten.
Und wie der Wegfall plus Alltagserschwernis zum realen Desaster wird.
*
Nein, ich habe mich höchstwahrscheinlich nicht infiziert,
aber restlos krank bin ich jetzt trotzdem.
Dauerstresz (schmerzverstärkend!), Schlafstörungen und überhaupt keine Kraft mehr,
mich noch auf irgendetwas zu freuen.
Was es vielleicht in Zukunft wieder gibt.
Mein Alltag ist gnadenloser geworden, dabei ohne Struktur,
wie ich sie früher hatte.
Shutdown. Total.
All meine Bücher, mein Garten, meine Interessen - das, was ich immer gern machen wollte
an Kreativem - all das ist auf der Strecke geblieben, war nicht mehr drin, wurde aufgezehrt
von der Situation, die ich eigentlich nicht an mich herankommen lassen wollte.
Ich zwinge mich morgens zum Aufstehn und notdürftigem Funktionieren,
was mir ja tagtäglich abverlangt wird... aber sonst weisz ich
gerade nicht mehr, wozu ich überhaupt noch lebe.
Dabei war ich noch nie ein Depri, sondern ein lebensbejahender Mensch.
Jetzt könnte den ganzen Tag lang heulen.
Nur: meine Tränen sind mir auch längst abhanden gekommen.
Irgendwann in den sechs Lebensjahrzehnten.
*
PS: das ist mein persönlicher, subjektiv erlebter (autistischer) Alltag.
Und mir ist klar, dasz es ganz vielen Menschen so geht.
Und noch wesentlich schlimmer: da sind Existenzen vernichtet, Frauen und Kinder leiden unter häuslicher Gewalt, alte Menschen unter Einsamkeit... (ja auch darüber denke ich nach und vieles macht mich betroffen, was mich eigentlich gar nicht betrifft!) und dasz andere viel mehr Grund zum Klagen haben als ich mit meinen paar "Luxusproblemchen".
Ich möchte niemanden damit beleidigen.
Ich habe einfach nur mal beschrieben, wir es mir gerade geht.
Und ich frage mich (immer öfter): musz das alles wirklich so sein?