Freitag, 2. August 2019

Weniger ist mehr (?)







Nun ja, das ist nun nicht ganz so mein Ding.
Die allgemeinen Trends lasse ich ja meist sowieso an mir vorbei ziehen 
und oft tun sie das auch recht schnell.
Ich mag einfach nicht mitmachen, wo einer den anderen zu überbieten
 versucht in Korrektheit und habe oft das Gefühl, es diene vor allem 
dem Vergleichen und der Selbstprofilierung.
Um bald schon vergessen zu sein bzw. im nächsten Trend unterzugehn.

Und ehrlich: ich kann nicht wie eine Nonne in einer Klosterzelle 
leben und das will ich auch gar nicht!

Ansonsten gibt es natürlich Dinge, die für mich selbstverständlich sind:
 also ich hatte noch niemals ein Handy oder Smartphone, ich lasse mich 
nicht von Pinterest oder Instagram überfluten, ich brauche keine Likes 
auf Facebook und wähle mir schon sehr genau aus, 
was, wo und wieviel ich konsumiere.
Morgens ein Weilchen am PC (eine Gewohnheit, die ich bisher vergebens 
abzuschaffen versucht hab!), mittags mal emails checken 
und abends nochmal mehr oder weniger kurz ins Web. 
Ab und zu ein Blogbeitrag und etwas bei anderen lesen.
Mehr online brauche ich nicht.
Dieses jedoch musz dann schon irgendwie sein, wenn man - wie ich - 
über keinerlei reale Sozialkontakte verfügt.

Mir ist einfach reales Leben immer lieber und wichtiger: Sommer spüren
 und Wind auf der Haut und Waldluft und Wasser... die Farben 
und Aromen des Herbstes und und und.

Das halte ich gerne im Foto fest, aber das tue ich eher für die anderen.
 Seit ich gemerkt habe (vor Jahrzehnten in meiner damaligen Künstlerinnen-
existenz), dasz es Menschen gibt, die brauchen erstmal ein Bild 
an der Wand als Anstosz, selbst in den Wald zu gehn 
oder auf der Wiese Grashüpfer zu beobachten...

Für mich persönlich sind Bilder nicht so wichtig, ich konserviere lieber 
in meiner Seele den Wintervorrat und gehe auch schon mal ohne Kamera los.
Sammele lieber Äpfel auf oder Kastanien.


Tja, und die übrigen Bereiche?
Ich bin in einer Welt des Mangels aufgewachsen, wo "weniger" die
 oft raue Normalität war. Dieser Überflusz an Materiellem und
 Erlebnisangeboten wie heute... kannten wir damals nicht.
Das war sicher nachhaltiger als der heutige Konsum 
und der Wahn des Alles-mitnehmen-Müssens.

Damals haben wir unsere Phantasie gebraucht, wenn Grenzen 
unüberwindbar waren, Bücher kaum zu kriegen...
 und an sehr vielem mangelte es. 

Kleidung muszte oft selbst gemacht werden - dafür nähe ich heute nicht mehr! 
Ich geniesze vielmehr die Vielfalt, die ich haben kann und die nicht einmal 
viel kostet. Neu muszte Kleidung für mich noch nie sein... aber den Spasz, 
immer wieder neu zu kombinieren, in Farben zu schwelgen... 
lasse ich mir nicht nehmen!
Und dafür sammele ich dann schon mal gerne viel an - - -


Oft war der damalige Mangel auch schmerzhaft bewuszt bzw. wurde 
als solcher empfunden, da er eben nicht freiwillig war.
Und als dieses System Sozialismus zusammen brach, brachen auch 
Existenzen weg, bekamen Biographien arge Brüche.

Auch mich traf das sehr hart und die Jahre der elementarsten Sorgen,
 des Überlebenskampfes um ein absolutes Minimum, das durchsuchen
 von Containern nach Eszbarem... hinterlassen Spuren, die sich jemand,
 der das nie brauchte... kaum vorstellen kann.


Inzwischen ist es nicht mehr so arg, obwohl auch die Rente weit unterhalb 
vom Minimum liegt (von dem, was als menschenwürdig gezählt wird) 
und ich es gewohnt bin, nicht nach Rezepten, sondern kreativ
 mit zufälligen Zutaten zu kochen, die ich durch die Tafel oder 
vom Foodsharing bekam. 
Dinge, die andre nicht mehr anschauen, geschweige denn essen würden - 

Das ist Normalität hier, damit kann ich auch leben. 
Und meine Prioritäten anders setzen, mich an vielen Dingen erfreun,
 die ohnehin nicht für Geld zu haben sind.

Aber wenn man niemals ein Auto hatte und der letzte Urlaub 1985 war...
wenn niemals ein Badesee, ein Konzert oder ein Flohmarkt erreichbar ist...
 Essen gehen oder ein Eis haben so 4-5mal pro Jahr stattfindet...
ja dann vermiszt man manchmal schon etwas, was für andre 
so selbstverständlich ist, dasz sie über bewuszten Verzicht nachdenken.
Solche Gedanken kommen mir da nicht in den Sinn.

Im Gegenteil: ich bin froh und dankbar, wenn ich etwas einmal haben kann 
und das kann ich dann auch absolut genieszen.
Ohne Reue, ohne Verzichtswunsch, ohne Nachdenken über 
Nachhaltig-und Korrektheit.
Und dabei werde ich wohl noch eine Weile bleiben, denn so übersättigt 
bin ich halt noch lange nicht, dasz mein Nachholebedarf schon gestillt wäre.
Mag sein, diese Zeit kommt bei mir auch... aber nicht jetzt!

Klar, dasz es in meinem gesamten Haushalt eher einfach zugeht,
aber damit rühme ich mich nicht. Das würde ich hier nie aufzählen.
Denn das ist eher den realen Möglichkeiten geschuldet 
und nicht bewuszter Verzicht.

*

In einem Buch über einfaches Leben las ich von jemand, der mit einem
 Rucksack und einer Matte in einem ansonsten leeren Zimmer lebt 
und gerade einen einzigen Teller und Löffel besitzt.
Da stand aber auch, dasz er täglich dortunddort essen geht. -
So ich mir das leisten könnte... 
würde ich natürlich auch nicht mehr Geschirr brauchen -

Und wenn ich mir die Fotos der Kleiderschränke in dem schön aufgemachten
Buch so anschaute: da hing ein sommerliches Flatterteil - natürlich farbneutral 
und aus gutem Leinen - neben dem anderen und alle sahen gleich aus.
 Da frage ich mich doch, ob die Leute nicht auch mal einen Pullover
 und eine warme Parka brauchen - - -
Also mal ehrlich, das ganze kam mir irgendwie wie eine Selbstinszenierung vor.

*

Ich wünsche Euch einen schönen Restsommer mit Sonne, Regen, Stille 
und Wind... Blumen, Früchten, Pilzen, Pflaumenkuchen und genug
von allem, was einen sonst noch so glücklich machen kann.
Denn darauf kommt es doch an, oder?


2 Kommentare:

  1. Deine brombeersüßen Grüße sind ganz schnell vom Augustwind hergetragen worden und habe ich sehr genossen und mich erfreut. Ja, deine Darstellung DEINER Sicht auf die Dinge finde ich absolut notwendig im Rahmen dieses Themas und ist für mich nachvollziehbar bzw. empfinde ich als Bereicherung. Man kann sich so schlecht hineinversetzen in ein Leben, wenn man nicht in den Schuhen des anderen gegangen ist, sollte das aber unbedingt mal tun. Das schätze ich so an dir, dass du immer wieder ein Fenster aufstösst, dass einen solchen anderen Blick frei gibt, und ich danke dir dafür!
    Hier herrscht Meereswind mit feucht-warmer Luft. Vielleicht erreicht er dich ja auch?
    Herzlich Astrid

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  2. Liebe Mascha,
    da stimme ich dir im Großen und Ganzen voll zu.
    Ich glaube, dies neue Welle ist eher ein Luxusproblem und betrifft nur die, die eh zuviel haben.
    Wenn jemand, so wie du es schreibst, die karken Jahre kennt und erlebt, was soll der da noch reduzieren ?!
    Es ist in meinen Augen eine Modeerscheinung und wird auch wieder in Vergessenheit geraten !
    Ich habe zwar auch die letzte Zeit kräftig ausgemistet,
    aber ohne den Hashtag " Weniger ist mehr "
    Ganz liebe Grüße
    Jutta

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