Letzten Dienstag hatte ich das grosze und seltene Glück, in einem Auto
nach Braunschweig mitgenommen zu werden.
Dies bescherte mir dort 4h mehr Zeit, als ich für meinen Arzttermin gebraucht hätte.
Zeit, mich mit einem unbekannten Park vertraut zu machen, Vögel und Eichhörnchen
zu beobachten, mit alten Bäumen Zwiesprache zu halten.
Auf einer Bank sitzend, bekam ich durch die offenen Fenster des Theaters
dann noch ein Gratis-Chorkonzert.
Wenn das kein Savoir-vivre ist!
Ich habe diese Stunden sehr genossen.
An diesem Tag wurde mir dann erstmal wieder so richtig klar, was für ein Megastresz,
was für eine Anspannung und Reizüberflutung für mich das Reisen mit ÖV bedeutet.
Bus geht ja schon gar nicht, bei Fahrten länger als 15min. wird mir regelmäszig übel...
Zug bin ich immer lieber gefahren.
Aber gut tut mir auch das nicht, das ganze Drumherum: quietschende Bremsen, Menschen, Drängelei, umsteigen müssen, Bahnsteige suchen und den richtigen Zug erwischen
(klappt bei mir häufig nicht und beschert mir gelegentlich Frostnächte auf Bahnhöfen)...
und wenn ich die Bahnhofshalle verlasse, erschlägt mich die Kakophonie der Groszstadt
mit all ihrem Lärm - das ist ein Gefühl, als wenn augenblicklich alle Häuser
über mir zusammenstürzten.
Da habe ich dann Mühe, unter Aufbietung sämtlicher Energiereserven
die jeweilige Erfordernis durchzustehen.
Zum Vergnügen fahre ich ohnehin nie, nur aus Notwendigkeit.
Dagegen in einem Auto abgeschirmt, schnell und sicher befördert zu werden
läszt mir Kräfte und Raum für Genusz und neue Entdeckungen.
Denn eigentlich bin ich ein neugieriges, offenes und freudiges Wesen,
wenn ich denn die Energie dazu noch übrig habe.
Auch meine pathologische Orientierungslosigkeit, die es mir unmöglich macht,
mich an fremden Orten auch nur ansatzweise zurechtzufinden...
ist offenbar vornehmlich ein Reizüberflutungsproblem.
An diesem Tag war alles ganz easy und ich habe mich nicht verlaufen!
Und noch ein himmelweiter Unterschied ist mir dort begegnet:
nämlich der zwischen dem Gesundheitswesen Ost und West.
War ich bisher hier pure Rigidität und Entmündigung gewöhnt ... und ständig das Gefühl,
als Patientin ein störendes Etwas, ein Sandkorn im Getriebe
einer undurchschaubar komplizierten Maschinerie zu sein...
ein dummes Ding, der jeweiligen Autorität im weiszen Kittel ausgeliefert,
die mich jederzeit ins Krankenhaus stecken kann ohne Erklärung,
was genau da gemacht werden soll und wie lange der Aufenthalt dann dauert...
und Fragen nach Mitnahme von Befunden bis heute noch ein Tabu in vielen Praxen...
kam ich hier in eine gänzlich andere Welt:
Am Tresen nicht angeblafft und keine Überweisung vorlegen müssen
um überhaupt behandelt zu werden... keine 4h im Wartezimmer
und ein Arzt, der mich freundlich fragte: Was kann ich für Sie tun?
Also so etwas ist mir noch nie begegnet!
Und sich den Arzt in einer Gemeinschaftspraxis auch noch aussuchen dürfen
(hier weisz ich nie, welcher von 4 Ärzten gerade da sein wird und diesbezügl. Wünsche
sind absolut unerwünscht!)... also so kann es auch gehn!
Ich denke nicht, dasz im "Westen" alles soviel besser ist und es keine Probleme, keinen
Zynismus im Gesundheitssystem geben wird...und vielleicht war diese,
von mir anhand ihres Leistungskataloges aus dem Web gesuchte Praxis
auch ein besonderer Glücksgriff (?)...
Aber wenn ich mobiler wäre bzw. öfter das Fahrgeld aufbringen könnte -
ich würde nie wieder in meiner Heimatstadt zum Arzt gehen!
Hatte meine Schwierigkeiten, an ärtzl. Versorgung zu gelangen, bisher immer
mir selbst und meiner Behinderung zugeschrieben.
Nun sehe ich: es kann also auch mal ganz ohne Probleme gehn!
Und das sogar für Autisten -
Naja, das gehört jetzt alles nicht hierher und ich schreibe sowieso kaum Persönliches...
aber irgendwie muszte das jetzt mal raus.
Und ich habe grosze Hoffnung, dasz mein Problem mittels Laser und ohne
erneutes Krankenhaus-Trauma erledigt werden kann.
Zwecks dessen sehe ich diesen Park dann im November noch ein paarmal wieder.
Was mich jetzt schon freut.