Donnerstag, 9. November 2023

Für Elsbeth zum 124. Geburtstag

 


Ich habe meiner Oma zum Gedenken
Geburtstagsblumen ausgesucht.
Ein Strausz mit weniger Blüten,
denn Gräsern und Blättern darin. 


Der hätte ihr bestimmt gefallen.
Wir sind so oft die Salzbergtalwiesen hinauf gegangen,
haben Laubburgen gebaut im Herbst
und Moosgärtchen angelegt auf einem groszen Teller...


Die schönste Zeit meiner Kindheit
war der späte Herbst 1965.
November. Da durfte ich ganz und gar
bei den Groszeltern wohnen.
Meine Mutter war weit fort. Irgendwo.
In einem Kurheim.
 

 
Die Ordnung und der strukturierte Tag bei ihnen
gefielen mir sehr: früh mit Opa zum Milch holen
(lose in einer Milchkanne)
und dann, wenn wir heimkamen, 
hatte sie schon geheizt und war in der Werkstatt.
Opa setzte sich auch an die Arbeit und ich
hatte eine Fuszbank zum Sitzen und einen kleinen Schemel als "Werkbank".
Da bekam ich ein Stückchen Blech und ein paar Punzen
und konnte mit einem Ziselierhammer Muster
ins Blech einschlagen.
Oder Perlen auffädeln.
Schöne alte Glas-und Porzellanperlen waren das.

Nach dem Mittagessen war eine kleine Pause
und danach gingen wir in die Natur.
Weit weg war die nicht.

Dann wieder Werkstatt und nach den Abendessen
haben wir Spiele gemacht oder vorgelesen.



Ich war gerne und oft dort.
Oma hat sich immer Zeit für mich genommen .
So manches mal hat sie die Strenge und Rigorosität
meiner Mutter abmildern können
und hat uns Kindern damit einen Ausgleich geschaffen.
Was wären wir ohne sie gewesen? 
 

 

Den Sinn für Schönes und Farben hat sie in mir geweckt.
Und so maches Märchen hat sie sich für mich ausgedacht.

 
 
Farben waren ihre Welt.
Nicht nur zum Malen auf Aquarellpapier.
Ihr hatten es besonders die leuchtenden Töne
farbigen Emails angetan.
Teils unterlegte sie transparente Glasuren noch mit Blattsilber oder - gold. 
Das macht den Brennvorgang besonders schwierig, 
aber die Farben unendlich leuchtend.
So erschuf sie ihre Bilder.


 
Elsbeth kam am 24. Oktober 1899 als Jüngste
von vier Geschwistern zur Welt.
Sie musz ein lebhaftes und sportliches Mädchen gewesen sein,
denn sie bekam schon mit zehn Jahren
ihr Freischwimmerzeugnis.
Das war damals für Mädchen noch nicht selbstverständlich.
Und warscheinlich hab ich von ihr die Liebe
zum Wasser und zum Schwimmen geerbt.


 
Als sie heranwuchs, wollte sie nicht nur
Ehefrau und Mutter werden,
sondern ihrer Berufung folgen und einen Beruf ergreifen.
Ihre Eltern waren liberal genug, dies zu unterstützen
und ihr ein Studium an der noch jungen Kunstgewerbeschule in Halle zu ermöglichen.
Der heutigen Kunsthochschule Burg Giebichenstein.
 

 
 In der Metallklasse wurde sie von Erich Lennè unterrichtet.
Sie gingen eine lebenslängliche Verbindung ein
und waren sich treue Gefährten im künstlerischen Schaffen.
Obwohl sie nicht direkt zusammen arbeiteten:
es schuf jeder sein eigenes Werk, für sich allein.
Aber eine Werkstattgemeinschaft mit ständigem Austausch
 - was könnte befruchtender sein?
 
Sie haben immer zusammen gestanden und sich gegenseitig unterstützt.
Ob es in Kriegszeiten beim Erhalt der Werkstatt war
(die dann zeitweilig von ihr alleine geführt wurde),
oder im täglichen Leben. 
Das nicht immer leicht war.
Sie waren einfach ein gutes Team!
 
Besonders auch später im Alter:
Erich wurde langsam taub, Elsbeth war am Ende voll blind.
Gemeinsam haben sie den Alltag gemeistert.
Fast bis zuletzt. 

Zeitlebens für ihre Arbeit gelebt und aufgegangen im Tun.
Dabei aber auch das Leben genossen.
Diese Balance haben sie gut hinbekommen.
Ich habe bei ihnen viel Lebensbejahung und Zufriedenheit verspürt.
Da war eine Weisheit und Güte, eine liebevolle Stabilität.
Untereinander und mir gegenüber auch.
 



Ich habe meine Oma sehr geliebt und ich hoffe,
sie hat ihren Strausz von "da oben" gesehn.
Er steht heut immer noch hier auf dem Tisch
und das ist wie jeden Tag ein kleines biszchen Geburtstag. 
Zum Gedenken.

Wer mehr über sie wissen möchte - hier.




10 Kommentare:

  1. ...it's good to have fond memories of grandparents, I do too.

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  2. Ds ist ja heute fast ein Great-Women-Post bei dir. Großmütter & -väter sollte jedes Kind haben.
    Freitagsgrüße!
    Astrid

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  3. Wie zufriedenstellend ist es, diesen Post zu lesen, spricht doch eine große Liebe und Zuneigung aus Ihren Zeilen. Bildhaft kann ich mir dieses einfache, zweckdienliche und doch so bereichernde Leben jener Zeit vorstellen.
    Ich lebe hier in der Stadt dieser Kunsthochschule Burg Giebichenstein und bin stolz, welch großartige Künstler hieraus schon hervorgingen.
    Kann man Arbeiten Ihrer Großmutter heute noch erwerben?
    Ich folge Ihnen und bitte Sie, sich nie entmutigen zu lassen. Sie sind eine große Bereicherung für uns Frauen, geerdet, immer hoffnungsvoll, trotz Ihrer großen Lebenseinschränkungen.
    Danke

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    1. Danke :)
      Ich habe 2020 noch allerhand Arbeiten von ihr aufgefunden, die Farbfotos im Bereich "Galerie" sind alle von mir, die Stücke sind also noch da.
      https://elsbethunderichlenne.blogspot.com/
      Allerdings habe ich den Traum, erst noch eine kleine Ausstellung in Halle zu organisieren (in Zusammenarbeit mit den Stadtarchiv, wohin ich etl. Dokumente gegeben habe), bevor ich über Vekauf nachdenke. Nun, da war erstmal Corona... aber es ist für mich auch nicht ganz einfach : ich kann nicht bzw. sehr schlecht telefonieren und kann die Sachen auch nicht per Bahn transportieren, dazu sind sie zu schwer. Und für Postversand sehr aufwändig zu verpacken, da empfindlich...- daran ist es bis jetzt gescheitert.
      Sie können ja mal die durchschauen, die Seite am Anfang zurückblättern - erst Kleinigkeiten von Erich, ab Seite 2 auch ihre Emailbilder. Die Seite ist etwas unglücklich zum Blättern. Teils unter den einzelnen Überschriften (zum Anklicken) auch noch mehr Bilder oder Angaben.
      Dort gibt es auch ein Kontaktformular.
      Ich kann grad wg. dick verpflastertem Zeigefinger schlecht tippen, in ca. 2-3 Tagen besser.
      Grüsze aus Wernigerode

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    2. Danke. Ich schaue mich um.

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  4. ...so schöne Erinnerungen an deine Kindheit, ich habe auch welche besonders an meinen einen Opa, und hoffe, dass meine Enkelin auch mal so schöne Erinnerungen hat...danke für diesen persönlichen Post,

    LG Birgitt

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  5. Was für wunderbare Erinnerungen an deine Großeltern liebe Mascha.
    Das muss eine ganz besondere Frau gewesen sein.
    Da passt der außergewöhnliche Strauß perfekt dazu.
    Lieben Gruß
    Nicole

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  6. was für eine wundervolle Würdigung deiner Großmutter
    man merkt die gegenseitige Zuneigung und Liebe
    die so viele Jahre andauert
    ich bin sicher sie schaut auf den schönen Strauß
    liebe Grüße
    Rosi

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  7. Ein sehr schöner Strauß, umso mehr er mit so tollen Erinnerungen verbunden ist.
    Liebe Grüße
    Gaby

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  8. Das muss eine wunderbare Oma gewesen sein und es ist so schön zu lesen, wie lieb du von den Großeltern erzählst! Liebe Grüße
    ELFi

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