Dienstag, 20. August 2024

Das kannste doch selber machen!

 

 


"Warum Selbermachen mich (nicht?) glücklich macht" 
ist das Thema einer Bloparade von Jessica Maas 

 

"Ja, ja, ja, das macht mich glücklich!" höre ich jetzt ganz viele rufen.
Und das klingt für mich auch durchaus plausibel.
 

Nur: ich selbst komme aus einem Land des Mangels. Wo es ganz viele,
für uns heute selbstverständliche Dinge nicht gab.
An Selbermachen führte da einfach kein Weg vorbei.
 
Da wurde gestrickt, was das Zeug hielt und oft alte Sachen dafür aufgeribbelt. 
Neue Wolle war nicht immer verfügbar.
Da wurden Kleidungsstücke aus weiszem Bettzeug genäht 
(glücklich, wer solches geerbt hatte)
und selbst gefärbt (Textilfarbe aus dem West-Paket war besser als unsre).
Zugegeben, das hat mir sogar Freude gemacht und ich habe diese individuellen
Kleider (teils auch noch bestickt oder bemalt) damals gerne getragen.
Das, was der Handel an Kleidung bot in den sehr spärlichen Geschäften, 
war dürftig und meist häszlich. Uniformiert. 

Da wurde mit Lederresten geschustert, wer das konnte und Klein-Erzeuger verkauften
ihre in der Freizeit gefertigten Sandalen und Gürtel auf dem Markt.
Es war nur nicht so ganz einfach, dafür eine Genehmigung zu erhalten.

Aus Fuszbodenausgleichsmasse oder Salzteig 
wurden Figuren und Kerzenhalter hergestellt. 
Ton oder Töpferkurse gab es nicht. Und wenn doch, waren sie so überlaufen,
dasz die Chance, in der Warteliste nach vorne zu rücken, gegen Null tendierte.
Einen Brennofen zu kaufen war ebenfalls einDing der Unmöglichkeit.
Die wenigen professionellen Töpfer bauten sich ihre Öfen selbst.

Mit Möbeln sah es nicht viel besser aus und wer glücklicherweise an Bretter 
herankam (Baumärkte gab keine), baute Regale, Schemel, Fuszbänke etc.
 
An Autos wurde so lange selbst herumgeschraubt, bis sie wieder fuhren - wer das 
nicht konnte, war ohne Auto besser bedient (ÖV war gut ausgebaut und billig).

Und ganz viele andere Lebensbereiche funktionierten ohne Selbermachen nicht
(das aufzuzählen, würde ein Buch füllen)

Glücklich, wer das nötige Geschick dazu hatte.
Ich hatte es nicht wirklich, ergo tat ich vieles nur erzwungenermaszen.

*

Ich bin heute glücklich über alles, was ich nicht mehr selber machen musz.
Ich geniesze die Vielfalt und den Überflusz. Ich gebe es zu.
Auf dem Flohmarkt oder in einer Kleiderkammer ein Kleid zu finden, 
das mir gefällt - ja, das macht mich glücklich!
Nähen würde ich es heute nie mehr. Zumal der Stoff 
wesentlich teurer ist als das fertige Kleid.


Ich fertige keine Kerzen, stelle keine Seife oder Kosmetik her - 
die Zutaten kosten einfach zuviel Geld.
Jeder neue DIY-Trend ist erst einmal mit neuen Geldausgaben verbunden.
Wenn ich in Bastlerläden die Preise sehe...
Ergo fertige nur selten Deko selbst an, und ich bastele auch keine Karten.
Verschicke höchstens mal ein eigenes Foto als solche.
 
Dasz ich Bilderbücher gestalte und auch deren Einbandmappen selbst
herstelle, ist für mich schon eine bissel andere Kategorie. 
Kreativität gehört zum Leben dazu. 





Ich stelle keine Mandelmilch selbst her und koche keine Marmelade.
Dafür ist mir einfach meine Lebenszeit zu kurz.
Überschüssige Gartenfrüchte teile ich beim Foodsharing
und gelegentlich nehme ich mir dort mal ein Marmeladenglas mit.
Das reicht hier ziemlich lange.
 
 



Ich backe keine Plätzchen und nur zu besonderem Anlasz vielleicht mal einen Kuchen.
Gelegentlich backe ich Brot, wenn mal keines mehr da ist.
Glücklich macht mich das nicht unbedingt, es ist mehr die Notwendigkeit.
 
 

 
Ich lebe schon recht nachhaltig, ohne aber dem Begriff für mich zu beanspruchen.  
Mit winziger Rente ist vieles nicht anders drin.
Täglich mindestens eine Mahlzeit selbst zu kochen macht mir zwar 
überhaupt keinen Spasz, aber so ist nun eben der Alltag.
Essen gehen oder bestellen liegt auszerhalb des Möglichen.
 


Und natürlich sitze ich öfter an der Nähmaschine, um Kleidung auszubessern 
oder zu ändern. Ich repariere Dinge, weil ich diese entweder in der Form 
nicht wieder bekomme oder neu Gekaufte nicht bezahlen könnte.
Glücklich macht mich das nicht, auch wenn ich manchmal allen Grund hab,
mir dafür auf die Schulter zu klopfen.
Das schon.

*

Ich höre heut noch im Geiste meine Mutter mit vorwurfsvollem Unterton sagen:
"Das kannste doch selber machen!"

Leider war ich nie so geschickt wie sie und es war oft frustrierend,
mich stunden-, tage-, wochenlang mit irgendwas herumzuplagen, was am Ende
bar jeglicher Ästhetik auch nur sehr mäszigen Gebrauchswert hatte.
Dafür ist mir der Rest meines Lebens einfach zu kostbar.

Nur mit dem Inhalt gewisser FSK-18-Filmchen halten wir es so.
Und das macht macht dann wirklich glücklich.
(wird bei uns natürlich nicht gefilmt)

*

Leider funktioniert der Link zur Blogparade nicht immer.
Wenn man über diese Seite geht und dann das Bild der Autorin anklickt (gleich oben),
müszte es klappen. Anders komme ich auch nicht dort hin.

6 Kommentare:

  1. Ein nicht nur schöner Text, er informiert auch über die DDR. Auch wenn es die Blog-Parade dazu nicht mehr gibt, kann er doch sehr gut allein stehen. LG

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  2. Ich sehe auch so, dass die Blogparade ein guter Anlaß war, und jetzt halt Dein ganz persönlicher Text daraus geworden ist :-)
    Und ich kann mich an vieles erinnern, was ich aus meinen Kindertagen auch so kenne - auch wenn es meiner Familie damals wirtschaftlich sicherlich schon besser ging. Aber vieles war damals wohl gar nicht so nötig. Gebastelt wurde mit Dingen aus Wald und Wiese. Und da meine Mutter als Verlagsangestellte arbeitete, brachte sie häufiger Papierreste mit, mit denen dann gebastelt wurde. Beim Basteln und auch in anderen Bereichen wurde eben improvisiert. Und das begeisterte meine Mutter und auch den Mann meiner Patentante - und so wurde 1968 auch mein Puppenhaus gebaut.
    Liebe Grüße von Silke, die immer noch mit Wolfgang unter der Wanderfreude von Finja leidet ...

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  3. Ich habe das gern gelesen, weil in diesem Text einer verallgemeinernden "Lebensweisheit" - überraschend und detailreich - eine ganz konkrete Realität gegenüber gestellt wird. :)
    Liebe Grüße, Andrea

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  4. Lach, ja selbermachen macht auch mich nicht glücklich.
    Socken stricken, nein danke, ich kanns auch nicht und wills auch nicht . Die meisten, die hier in den Blogs ihre selbstgemachten Dinge feil bieten, wollen doch verkaufen.

    Ich habe 2 1/2 Jahre (normalerweise lernt man 3 Jahre, aber da ich ABI habe, brauchte man nur 2 !/2 Jahre) das Handwerk des Schreiners erlernt und diese handwerklichen Fähigkeiten
    kommen mir heute immer noch zugute. Ich kann einen Schrank bauen, nur fehlen mir dazu die notwenigen Maschinen usw. Ich kann Schubladen zinken, wo bekommt man das heute noch?
    Ich kann auf dem Bau Futter setzen und Bekleidungen fertigen,das weiß kein Mensch was das ist, weil es das heute auch nicht mehr gibt.
    War eine harte Zeit, aber ich habe das für mein Studium der Innenarchitektur gebraucht.
    Aber das hat mich auch widerstandfähig gemacht. Da bin ich schon dankbar.
    Ne und stricken, früher mal, ich mag meine Pullis, die selbst gestrickt sind, aber Glück sieht für mich anders aus.
    Für mich ist Glück, wenn ich nach einer Radtour mit vielen Kilo- und Höhenmetern ins Bett falle lund mich freue und frage, wie lange ich das mit meinen bald 75 Jahren noch kann.

    Ja, die DDR, ich hatte dort eine Brieffreundin, die die Schwester einer Brieffreundin meiner Schwester war. Wir haben Pakete geschickt zu Weihnachtung usw. da kam dann auch ein Paket von drüben, wirklich schön alles zusammengesucht und sicherlich hat das auch viel Geld gekostet.
    Eva, so heißt meine Brieffreundin war die Tochter eines Funktionärs und da hats an nix gefehlt.
    Nach der Wende, war es dann aus und ich habe nie wieder was - weder von der Schwester als auch von Eva - gehört.
    Aber, ich bin mir schon sicher, dass die Bürger der ehemaligen DDR gut organsieren konnten und tatsächlich auch aus NIX etwas gemacht aben.
    Sie wollen das nie wieder, deshalb sind sie auch was Regierung usw. anbetrifft, äußerst sensibel.
    Liebe Grüße Eva


    Nun gut, ob Selbermachen glücklich oder nicht glücklich macht, ist mir vollkommen egal.
    Liebe Grüße Eva

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  5. Ich bin da ganz bei dir. Bei uns zu Hause im Nachkriegshaushalt wurde das vorhandene gehegt und gepflegt und von links auf rechts gewendet. Da wurde eingemacht und Beeren gesammelt für Marmelade. Da erbte man Sachen von den Cousinen, die irgendwie passend gemacht wurden. Pullover wieder aufrebbeln kenn ich auch noch. Nicht aus Spaß an Nachhaltigkeit oder zur Erlangung besonderer Glücksgefühle sondern weil knappe Kassen zu Sparsamkeit und Haushalten gezwungen haben. Viel, viel später als die Zeiten sich änderten war meine Mutter ein eifriger Bastler. - Ich erinnere mich noch an Makramee. Sicher ganz dekorativ aber im Grunde nutzlos. Letztes Jahr habe ich ihren ererbten Perlenvorrat an die Straße gestellt zum Verschenken. Hat noch jemand mit genommen. Ich habe auch oft Sachen angefangen - glücklich hat es mich nicht gemacht, die Freude über ein gelungenes Werk hielt sich in Grenzen - bis auf einen handgeknüpften Wandbehang, den habe ich heute noch. Wer braucht schon mit Gips ummantelte Grannini-Flaschen als Vase die auch noch auch noch optisch unbefriedigend sind wenn ein Einmachglas oder ein altes Schätzchen vom Flohmarkt den gleichen Zweck erfüllt. So habe ich vieles ausprobiert aber letztlich immer befunden die meisten Betätigungen dieser Art seien Materialverschwendung. Wer Freude an Kunsthandwerk hat und da auch ansehbare Ergebnisse erhält, prima. Ich widme mich dann mehr der bildnerischen Gestaltung.
    LG Christiane

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  6. Liebe Mascha,
    heute schaue ich auch mal wieder vorbei, auch wenn ich derzeit am liebsten draußen die wunderbare Sonne genieße, wohlwissend, dass es nicht mehr lange dauert, bis die unwirtliche Jahreszeit wieder anbricht.

    Ich kenne auch noch den Mangel, auch hier in Deutschland (West) nach dem 2.Weltkrieg. Meine Großmutter nähte für mich noch Kleidung. Meine Mutti strickte und häkelte zwar, aber nicht so regelmäßig. Wir kauften schon damals gebrauchte Kleidung, wo das noch gar nicht en vogue war. Oder bekamen sie geschenkt. Jeder hat nicht so das Talent zum Selbermachen oder die Energie dafür. Ich bewundere immer die fleißigen Handarbeiterinnen, die Socken und Handschuhe oder anderes en masse produzieren. Das könnte ich schon mit meinen Händen nicht, die dabei oft einschlafen. Aber auch das Sitzfleisch hätte ich nicht. Bei meiner Mutti war es mit dem Stricken vorbei, als ihre Augen immer schlechter wurden.
    Mit meinen Kindern zusammen habe ich seinerzeit gerne gebastelt und gehandarbeitet. Seit sie nicht mehr im Haus sind, verspüre ich wenig Lust dazu. Vieles ist auch überflüssiges Zeug und liegt dann nur herum. Da gehe ich ganz mit Christiane konform. Daher überlege ic heutzutage sehr gut, was ich überhaupt brauche. Am liebsten ist mir der Aufenthalt in der Natur, ob im Garten oder anderswo.

    Mir geht es wie Dir, ich bin heute auch froh über die Dinge, die ich nicht mehr selbermachen muß. Auch das Kochen praktiziere ich nur noch unregelmäßig, weil ich es früher mußte, wenn man 3 Kinder zu versorgen hat. Wir brauchen nichts Gekochtes, ich esse sehr gerne Salate und Rohkost, Brot dazu oder Getreide und gut ist. Es wachsen auch so viele Wildpflanzen, davon gibt es bei uns im Frühling und Sommer häufig zu essen. Wir brauchen aber in unserem Alter nicht mehr viel.

    Nähen konnte ich noch nie sonderlich gut, es wurde eher schief und krumm. Meine Nähmaschine hat längst den Geist aufgegeben und ob es sich noch lohnt, eine neue anzuschaffen?? Für mich war Handarbeitsunterricht in der Schule eher eine Strafe. ;-) Jedem sein Ding. ;-) Aber ich gestalte auch gern mit Naturmaterialien den Raumschmuck zum Beispiel..

    Liebe Grüße und ein schönes Wochenende
    Sara

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