Es war einmal ein Junge. Der lebte in einem armseligen heruntergekommenen Haus
mit seinem Vater, der ihn schlug. Wenn er wieder eine Flasche geleert hatte.
Und er schickte den Jungen los, neue Flaschen zu bringen.
Aber längst schon schrieb kein Kaufmann mehr an, auch wenn er immer weitere Wege ging.
Der Junge lief und lief und wollte die nächste Stadt erreichen.
Wo es vielleicht noch Kredit gab.
Und er dachte: ich möchte fliegen können. Einfach auf und davon!
Er dachte so inbrünstig daran, dasz er das leise Klirren fast überhörte.
Mit dem sich am Straszenrand die Hecke auftat.
Die Fee sprach: mein Junge, ich habe Deinen Wunsch gehört.
Ich kann ihn Dir erfüllen.
Aber bedenke es gut: denn nach 13 Jahren und 13 Tagen rufe ich dich.
Dann wirst Du mein sein und die irdischen Freuden vergessen.
Du wirst eins werden mit den Elementen: Feuer, Wasser, Luft und Holz.
Einen guten Rat will ich dir noch geben: meide Bäume, die zur Erde streben!
Das wird gut zu machen sein, dachte der Junge bei sich.
Bäume wollen doch auf zum Himmel, so wie ich!
Und er stotterte aufgeregt: Ja! Ja! Oh ja!
Schon hob es ihn in die Lüfte, schon war er frei.
Entkommen der Enge des Hause und der schmutzigen Gassen.
Frei wie ein Vogel schwebte er dahin. Unterm blauen Himmelszelt.
Über Wälder und Flüsse und Berge und Seen.
Irgendwann merkte er, dasz er Hunger hatte und er landete in einer Stadt.
Doch Brot gab es überall nur für Geld.
Da sah er die Kuppel des Zeltes und das war sein Plan.
Nicht schon wieder so ein Möchtegern-Arkrobatenjüngelchen!, dachte der Zirkusdirektor,
als er ihn sah. Doch er gab ihm eine Chance und bereute es nicht.
So flog der Junge nun Abend für Abend über der Manege.
Die Leute staunten und applaudierten - so etwas hatten sie noch nie gesehn!
Er brauchte kein Netz, verfehlte kein Trapez, stürzte niemals ab.
Alles schien so leicht.
Einige Jahre vergingen, er wuchs heran.
Da kam Griseldis in den Zirkus (eigentlich hiesz sie Ingrid).
Es sah sie an und war bezaubert, genau wie sie von ihm.
Der Zauber wirkte, sie wurden eins und teilten sich fortan die Fähigkeit des Fliegens.
Von nun an flogen sie gemeinsam.
Dann der Wettbewerb. Die Fachwelt war verblüfft. Ein Phänomen!
Der Cirque du Soleil heuerte die beiden an.
Sie wurde die ganz grosze Nummer in der klingenden farbigen Show.
Tourten nun durch alle Länder.
Spätabends, wenn alles vorbei war und die anderen sich müde in ihre Wohnwagen
schleppten (Zirkus ist harte Arbeit)... flogen sie ihre Runde unterm Sternenzelt.
Erst dann waren sie wirklich frei.
Erschöpfung kannten sie nicht.
Da war der Wald. Irgendwo in Kanada.
Seltsame Bäume, bizarre Äste. Stämme verdreht und verbogen.
In der Dunkelheit bemerkte er ihn zu spät.
Den groszen Baum, der sich wie ein U zur Erde bog.
Schon war es geschehen.
Ein Sog bremste den Flug, ihre Bewegungen erstarrten.
Ihre Hände konnten sich gerade noch halten, so wuchsen sie ein in das Holz.
Gingen darin auf. Verschwanden immer mehr.
Wer genau hinsieht, kann sie noch erahnen.
Doch wer sieht schon genau hin?
Der Zirkus muszte die Show ganz und gar umschreiben.
Mitten in der Saison.
Ich bedanke mich wieder bei Myriade mit ihrer Impulswerkstatt
für das Inspirationsbild und das Mosaikstück "Holz".
Die Idee mit den in die Erde wachsenden Bäumen finde ich schlichtweg genial. Das ist ein Motiv, das mir noch nicht untergekommen ist. Wunscherfüllende Feen sind ja ein häufiges Märchenmotiv, aber die Gefahr, die von in die Erde wachsenden Bäumen ausgeht, stammt wohl von dir, oder? Obendrein passt die Geschichte hervorragend zu dem Bild. Ich muss schon sagen, ich habe große Freude mit deinen Beiträgen. Herzlichen Dank dafür! GLG Myriade
AntwortenLöschenPS: Womöglich hat dich auch dein widerspenstiger Finger inspiriert ...